Der ordnungsgemäße Betrieb von Regenüberlaufbecken stellt einen wichtigen Baustein im Gewässerschutz dar. Aufgrund der inzwischen sehr hohen Reinigungsleistung der Kläranlagen fällt der Anteil der Mischwasserentlastungen an den Gewässerbelastungen mittlerweile stärker ins Gewicht. Das Gesamtsystem von Kläranlage, Kanalisation und Gewässer muss stärker in den Fokus rücken, um den bislang erzielten Stand der Gewässergüte zu bewahren und zu verbessern.
Die ersten Regenüberlaufbecken im Land wurden in den 1970er-Jahren errichtet. Heute liegt ihr Bestand bei fast 7.000 Becken. Das gesamte Beckenvolumen beträgt etwa 3,6 Millionen Kubikmeter und die damit verbundene komplette Investitionssumme beläuft sich auf rund drei Milliarden Euro. Diese enormen Investitionen können ihre Wirkung für den Gewässerschutz jedoch nur dann entfalten, wenn die Anlagen ordnungsgemäß betrieben werden.
Es ist primär Aufgabe der Betreiber im Rahmen der Eigenkontrolle den ordnungsgemäßen Betrieb sicher-zustellen. Für die Verantwortlichen stellt dies eine große Herausforderung dar. Viele Anlagen entsprechen inzwischen nicht mehr den heutigen konstruktiven und technischen Anforderungen. Eine Vielzahl der Becken verfügt nur über eine unzureichende messtechnische Ausstattung, teilweise fehlt diese auch komplett. Die Datenerfassung und die entsprechenden Auswertungen sind oft fehlerhaft oder unzureichend. Einige Betreiber haben jedoch bereits ein sehr hohes Niveau in der betrieblichen Praxis erreicht und funktionieren-de Arbeitsabläufe etabliert.
Um den besonderen Erfordernissen an den Betrieb von Regenbecken gerecht zu werden, sieht sich der DWA-Landesverband Baden-Württemberg in einer Gemeinschaftsinitiative mit dem Umweltministerium Baden-Württemberg als Initiator dafür, gemeinsam mit den Verantwortlichen das Betriebsverhalten von Regenwasserbehandlungsanlagen zu optimieren.
Eine wesentliche Komponente des Projektes ist die Etablierung von Sonder-Nachbarschaften, die nach dem in der Praxis bewährten Nachbarschaftsmodell dauerhaft eine Plattform für einen Wissens- und Erfahrungsaustausch bieten sollen. Ziel dabei ist eine Verbesserung des Betriebs der Regenwasserbehandlung im Mischsystem im Sinne eines nachhaltigen Gewässerschutzes in Baden-Württemberg.
Abbildung: RÜB Anlagenschema Regenüberlaufbecken
© Festo Didactic
In Baden-Württemberg wird von den Aufsichtsbehörden schon seit einigen Jahren in vielen Fällen gefordert, wasserwirtschaftliche Becken messtechnisch so auszurüsten, dass die Einstau- und Entlastungsaktivität (jeweils Dauer und Häufigkeit) erfasst und protokolliert werden kann. Details hierzu sind in den „Arbeitsmaterialien zur fortschrittlichen Regenwasserbehandlung in Baden-Württemberg“ (UM-BW, 2007) geregelt.
Dauer und Häufigkeit von Einstau- und Entlastungsereignissen lassen sich vergleichsweise leicht erfassen. Die Verwendung dieser Größen als Indikatoren für die Beurteilung von Beckenbetrieb und Gewässerbelastung stellt einen Kompromiss zwischen Aufwand und Erkenntnisgewinn dar. Volumina und Frachten als die eigentlichen Zielgrößen der Regenwasserbewirtschaftung lassen sich dagegen nur mit einem sehr hohen Aufwand erfassen. Verschiedentlich fordern Aufsichtsbehörden die Ermittlung von Entlastungsvolumina aus gemessenen Überfallhöhen. Dieses Vorgehen produziert jedoch nur unter günstigen Randbedingungen hinreichend genaue Daten. Die Ermittlung von Entlastungsfrachten wird dagegen nicht gefordert.
Gemessene Einstau- und Entlastungsaktivitäten sollten laut den oben genannten Arbeitsmaterialien zu Monatsdaten aggregiert und in dieser Form der Aufsichtsbehörde übergeben werden. Diese speist dann die Jahresdaten aller vier Größen in eine zentrale Datenbank des Umweltministeriums ein. Obwohl laut UM-BW (2007) zum damaligen Zeitpunkt etwa ein Drittel aller RÜB im Land (also mehr als 2.000 Stück) messtechnisch entsprechend ausgestattet waren, enthält die zentrale Datenbank zu den Jahren 2012 und 2013 Einträge von jeweils lediglich etwa 300 RÜB. Nur die Hälfte dieser Becken davon enthält Einträge für beide Jahre (Dittmer, Lieb, 2015).
Diese Zahlen spiegeln nicht die tatsächlich erhobene Datenmenge wider, sondern zeigen die Verluste auf dem Weg durch die Institutionen. Für den Status Quo in Baden-Württemberg bleibt festzuhalten, dass unbekannt ist, zu welchem Anteil Regenbecken mit zeitgemäßer Messtechnik ausgestattet sind und in wel-chem Umfang plausible Daten erhoben werden.
Die neue Plattform soll alle beteiligten Akteure – aus Hochschule und Verwaltung, den Betrieben, der Industrie und planenden Ingenieurbüros – zum nachhaltigen Fachdialog mit Netzwerk-Charakter zusammen-führen. Organisationsstrukturen und inhaltliche Grundzüge für die Initiative entwickelt der DWA-Landesverband Baden-Württemberg als Knotenpunkt für alle Beteiligten aus Planung, Bau und Betrieb.
Dazu wurde ein Projektbeirat aus Vertretern des Umweltministeriums, der Aufsichtsbehörden, Nachbar-schaften, Ingenieurbüros und Hochschulen im DWA-Landesverband ins Leben gerufen. Er begleitet das Projekt in der strategischen Ausrichtung und ist in alle relevanten Prozesse aktiv eingebunden.
Für den erfolgreichen Aufbau der Plattform RÜB Baden-Württemberg wurden in Zusammenarbeit mit dem Projektbeirat vier Handlungsfelder abgesteckt. Als Basis für den gesamten Projekterfolg stand zum Auftakt der Initiative die Bewusstseinsbildung bei allen Akteuren im Fokus.
Abbildung: RÜB-BW Handlungsfelder
Als Basis für den gesamten Projekterfolg stand zum Auftakt der Initiative die Bewusstseinsbildung bei allen Akteuren im Fokus. In weiteren Schritten soll neben der Bewusstseinsbildung und dem Konzeptionieren weiterer Schulungsangebote, das Betriebspersonal im Umgang mit Messdaten und messtechnischer Ausrüstung geschult und befähigt werden. Langfristig soll ein ganzheitlicher Betrachtungsansatzes des Netzes und das enge Zusammenwirken von Betreibern, Kommunen und den Aufsichtsbehörden erreicht werden.